Vielen Menschen, die Kundenkontakt haben, dreht sich beim Wort „Reklamation“ regelmäßig der Magen um – schon wieder ein Meckerer. Ich bin froh über jede Beschwerde, wobei sich diese bei uns sehr in Grenzen halten. In den letzten sieben Jahren hatten wir zwei unzufriedene Seminarteilnehmer und zwei, die sich nachhaltig einer Teilnahme verweigert haben mit der Begründung, so etwas bräuchten sie nicht. Warum mag ich Reklamationen also?
Reklamationen sind immer auch Chancen, denn wenn jemand sich beschwert, dann hat er noch eine Beziehung, es ist ihm nämlich wichtig. Wäre es ihm egal und unwichtig, würde er sich schließlich nicht die Mühe der Beanstandung machen.
Dazu ein bisschen Statistik, die die Chancen von Reklamationen deutlich macht:
Teilen möchte ich an dieser Stelle eine Geschichte, die mir in der letzten Woche widerfahren ist und die deutlich macht, welche Kraft die falsche Behandlung von Kunden im Reklamationsfall hat.
Ich bin seit 1989 durchgängig Fahrer einer deutschen Premium-Automarke. Die gleichwertig möglichen Alternativen aus Stuttgart und Ingolstadt schaue ich mir nicht einmal ernsthaft an, so „vernagelt“ bin ich da.
Mein aktuelles Gefährt hat knapp 140.000 km auf dem Tacho und ist Baujahr Mitte 2011 als der Werkstattmeister der Niederlassung mir vor einigen Monaten im Rahmen eines Werkstattbesuches eröffnete, ich möge doch eine „Schleife um den Wagen machen, ihn abgeben und mir einen Neuen holen. Dann hätte ich die jetzt auftretenden Reparaturen nicht“. Da musste ich schon mal schlucken. Sei`s drum, ich suchte mir eine freie Werkstatt und wurde gut bedient.
Vor zwei Wochen dann kam ich auf die wahnwitzige Idee, einen Garantiefall anzumelden. Der Stecker eines 2016 gekauften Moduls, um das Telefon ans Auto anzuschließen, hatte sich vom Kabel gelockert. Also, auf in die Niederlassung und reklamiert. Kein Problem, wurde mir gesagt, man melde sich, wenn das Kabel da sei. Tags drauf ein Anruf in Abwesenheit. Ich fuhr in die Niederlassung und erntete fragende Blicke. Man habe mein Anliegen weitergegeben an die andere Niederlassung, dort hätte ich das Teil seinerzeit gekauft und daher wären diese zuständig. Drei Tage später ein Anruf aus der anderen Niederlassung – ich möge bitte zwecks Werkstatt-Termin vorbeikommen, der Wagen müsse an den Tester. Ich lehnte dankend ab und bestand stattdessen auf einen GARANTIE-Austausch des Kabels.
Eine Woche später der Anruf des Ersatzteil-Verantwortlichen. Er habe sich echt für mich eingesetzt – ich bzw. mein Auto müssen nicht an den Tester. Nur, der Hersteller behalte sich vor, die Garantie nach Prüfung bei Eigenverschulden abzulehnen. Das müsse er mir vorab sagen.
Da platzte mir dann endgültig der Kragen und ich frage mich bei all dem, was wir in diesen Tagen über die Autoindustrie hören, ernsthaft, wann die von ihrem hohen Ross mal absteigen. Ein 100 € - Artikel in einem 100 k€ Auto, welches nach 6 Jahren doch besser eine Schleife verdiene – wo sind wir denn?
Das ist noch nicht einmal eine Reklamation, das ist ein Garantiefall und um der Statistik Genüge zu tun, teile ich diese Geschichte nun hier. Inzwischen habe ich auch eine SMS bekommen, das Ersatzteil sei abholbereit.
Tatsächlich geht es mir aber nicht statistische Belange. Wie wäre es, wenn die Niederlassung anrufen und ihr Mitleid zum Ausdruck bringen würde, dass ich mit dem bei ihr gekauften Artikel eines Premium-Herstellers ein Problem habe und sie das Ersatzteil (Kabel) der Einfachheit halber auf dem Postweg zusenden würden?
„Liebe Autoindustrie: ihr habt Einiges an Veränderung vor euch. Wenn ihr dabei auch noch eure Kunden so behandelt, müsst ihr euch nicht wundern, wenn vielleicht notwendige Investitionsentscheidungen aufgeschoben werden. Und nebenbei wäre eine Kundenschulung in Sachen Reklamationsbehandlung sicher hilfreich.“
Wir wünschen Ihnen, dass Ihre Kunden mit Ihrer Reklamationsbehandlung bessere Erfahrungen machen nach dem Motto
„Wichtig ist alles, was zu einer schnellen und beim ersten Mal fehlerfreien Problemlösung für den Kunden beiträgt“
Die notwendigen Regularien der Kostenverteilung werden dann anschließend geregelt.
Um ehrlich zu sein, von den anderen Premium-Herstellern aus Deutschland höre ich ähnliche Geschichten. Das ist also kein bayerisches Thema, sondern offensichtlich ein Vorgehen, welches weit verbreitet ist. Ich beschäftige mich jedenfalls nach fast 30 Jahren Markentreue ernsthaft mit dem Wechsel zu den „jungen Wilden“, wissentlich, dass diese in 30 Jahren vielleicht ebenso angepasst sind, wie die Etablierten heute. Sei's drum, das kann mir dann egal sein.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Erfolg bei ihrer positiven Reklamationsbehandlung und freue mich, wenn Sie Ihre Erfahrungen dazu mit mir teilen und einfach einen Kommentar zu diesem Beitrag hier hinterlassen. Oder schreiben Sie mir direkt eine Mail.